Samstag, 12. März 2016

The Revenant oder wie ein Bär DiCaprio auseinander nimmt

Alejandro Iñárritus Film THE REVENANT hat jetzt schon Geschichte geschrieben. Nicht, weil er einen Oscar für „Beste Regie“ eingestrichen hat. Den Goldjungen durfte Iñárritu schon im Vorjahr für BIRDMAN mit nach Hause nehmen. Auch der Oscar für „Beste Kamera“ für Kameramann Emmanuel Lubezki ist dessen dritter Oscar in Folge in dieser Kategorie. Sicherlich, das sind Leistungen, die die Gewinner auf die Spitze des Olymps hieven. Doch REVENANT lieferte die Rolle für Leonardo DiCaprio, für die er endlich seinen wohlverdienten Oscar als „Bester Hauptdarsteller“ in Empfang nehmen durfte. Nachdem DiCaprio viermal leer ausgegangen war, erhielt er beim fünften Mal die Auszeichnungen, die das Internet schon seit Jahren gerne in seinen Händen gesehen hätte.


THE REVENANT basiert lose auf dem Roman The Revenant: A Novel of Revenge von Michael Punke von 2003. Der Film erzählt die Geschichte vom Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) der 1823 von einem Grizzly angegriffen und schwer verletzt wurde. Von seinen Kameraden, mit denen er auf der Flucht vor Pawnee Indianern war, wurde er zum sterben zurückgelassen. Schlimmer noch, John Fitzgerald (Tom Hardy) tötet vor seinen Augen seinen Sohn und Halbindianer Hawk (Forrest Goodluck). Glass kämpft sich aus seinem mutmaßlichen Grab, kämpft sich durch die Wildnis und trotzt etlichen Gefahren, um den Mörder zu stellen. In eindrücklichen Bildern erzählt Iñárritu seinen Kampf ums Überleben.

Eine der eindrucksvollsten und intensivsten Szenen des Films, über die immer wieder gerne geredet wird, ist der Angriff des Grizzly-Bären. Im Kino setzte das Popcorn kauen aus, der Atem wurde angehalten, die Zuschauer wurden in ihren Sessel gedrückt ob der gezeigten Bilder. Schonungslos, ohne merkliche Schnitte muss man mit ansehen, wie der Grizzly Glass durch die Gegend zerrt, die Tatzen in seinen Rücken bohrt und seine Kiefer um seinen Körper schließt. Alles sieht so unglaublich authentisch aus und nur weil man weiß, dass es sich um einen Film handelt, stellt man sich unweigerlich die Frage: Wie haben sie diese Szene bloß gedreht?

Am Anfang war die Vision

Für Iñárritu stand von Anfang an fest, dass der Großteil der Grizzly-Attacke aus einer durchgehenden Szene bestehen sollte. Dies stellt sowohl die Kamera, die Regie, als auch die Make-Up Künstler vor große Herausforderungen. Alles musste bis ins kleinste Detail geplant werden und die nach und nach aufklaffenden Wunden mussten mit entsprechenden Prothesen gelöst werden, die vollständig an DiCaprio angebracht werden mussten. Zudem war es Iñárritu  wichtig, dass der Zuschauer nicht das Gefühl hätte, dem Angriff einer bösartigen Bestien beizuwohnen. Es sollte lediglich eine Bärin sein, die ihre Jungen beschützte, die in Gefahr sah.



Um die Szene möglichst authentisch inszenieren zu können, benötigte des Visual Effects Team Referenzmaterial. Hierfür wälzte man Aufnahmen echter Bärenangriffe, auch wenn dies keine angenehme Aufgabe war, wie Visual Effects Supervisor Richard McBride zu berichten weiß: „We started by finding clips of real bear attacks which was quite traumatizing for everbody involved.“ Man interviewte Überlebende und studierte darüber hinaus Bücher wie Scott McMillions Mark oft he Grizzly, in dem Beobachter und Überlebende ihre Erlebnisse schildern.

Nach dieser umfangreichen Recherche setzten sich Iñárritu, McBride sowie die Stunt-Koordinatoren Doug Coleman und Brian Machleit zusammen, um die Szene Schritt für Schritt durchzuplanen.

Eine der Frage, die geklärt werden mussten, war, wo exakt die Kamera positioniert werden sollte. Dies musste minutiös geplant werden, damit die digitale Verknüpfung aller Aufnahmen am Ende möglichst nahtlos wirken sollte. Man überlegte, wie Glass vom Bär gegriffen, durch die Gegend geschleudert wird, wo der nächste Angriff stattfinden würde und wo sie mit ihrem Maul zupacken würde. Neben den wilden Attacken waren auch die Momente zwischen den Angriffen von besonderer Bedeutung. Diese sollten die Spannung steigern, weil man im ungewissen blieb, wann und was als nächstes passieren würde. Nach und nach kristallisierte sich für McBride heraus, wie die einzelnen Shots nahtlos ineinander übergehen würden. Die finale Szene besteht aus 21 Shots, von denen 15 ILM nahtlos zu der bekannten sechsmintügen Attacke zusammenfügte.

Etwas Spielraum fürs Set blieb jedoch noch. So konnte DiCaprio noch ein wenig Input geben, wie er auf die Angriff reagieren, wie er sich wehren würde. Die Stunt-Men schlüpfte vor Ort in blaue Anzüge und trugen auf ihren Helmen noch einen blauen Schaumstoff-Bärenkopf. Dieser diente als Orientierung für das Effekte-Team und auch für DiCaprio, der mit dem Bären interagieren musste.



Weil Iñárritu und Lubezki für REVENANT geplant hatten, ausschließlich mit natürlichem Licht zu arbeiten, erschwerten die Dreharbeiten massiv. Das Zeitfenster für die Arbeit war gering, die Ansprüche an die Szene immens, das Ergebnis, mit dem das Paint Department arbeiten konnte, am Ende recht mager. Dieses hatte die Aufgabe, alle Aufnahmen „sauber“ zu ziehen, um eine durchgängige Qualität abzuliefern, in die man den Grizzly einfügen konnte. Visual Effects Supervisor Jason Smith bei ILM überwachte die Arbeiten am Material: „I’ve heard from multiple artists on this show that his was the most difficult and challenging paint work that the paint department has ever done at ILM.“

Die Magie entsteht in mühseliger Handarbeit am Rechner

Das Problem mit der Arbeit war, dass es keine Abkürzungen gab. Bei „normalen“ Szenen, in denen das Ausgangsmaterial nur dürftig ist, behilft man sich mit entsprechenden Schnitten. Da der Grizzly-Angriff jedoch eine durchgängige Sequenz sein sollte, musste man in den sauren Apfel beißen und das Material nutzen, was zur Verfügung stand. Als die Arbeiten beendet werden, konnte das Visual Effects Team den Grizzly einfügen.

Das CG-Modell basierte auf Fotos zweier Bären aus einem Vancouver Wildpark. Iñárritu war dabei der kritischste Beobachter. Zwar war ihm bewusst, dass kein Weg an digitaler Arbeit vorbeiführte, doch wollte er stets wissen, wie das Team die Bewegung authentisch aussehen lassen würde. Um die Authentizität zu untermauern hatte man jedoch stets entsprechendes Videomaterial zur Hand welches man für den Vergleich heranziehen konnte. Für jede fertig erstellte Animation, die Iñárritu zu Gesicht bekam, hängte man zehn Referenzaufnahmen an. Doch selbst hier musste man darauf achten, dass man keine Aufnahmen von Bären aus dem Zoo verwendete, sondern Videos wildlebender Tiere verwendete.

Nachdem die Animationen grünes Licht erhalten hatten, machte sich das Team daran das Fell zu animieren. Hierfür verwendete man ein neues System, welches den passenden Namen Haircraft trug und seinerzeit für den kommenden Film WARCRAFT entwickelt wurde. Für den Bären animierte man ungefähr 10 Millionen Haare.

Wie bereits erwähnt, war das natürliche Licht ein ganz essentieller Aspekt bei THE REVENANT. ILM stellte dies für große Herausforderungen, auf Grund des gefilterten Lichts, welches durch das dichte Blätterdach fiel. Oftmals wirkte der Bär zu platt ausgeleuchtet, so dass man das Fell noch einmal mit entsprechenden Effekten ausleuchten musste. Um den Bär noch realistischer wirken zu lassen, wurde das Fell noch Schmutz, Matsch, Harz, Nadeln und Kies befleckt. Man entwarf sogar Hintergrundgeschichten zu den einzelnen Fellverschmutzungen.

Die gesamte Szene gipfelt im Tod des Grizzlys, als Glass ihn schließlich erschießt. Der tote Grizzly sackt auf dem schwer verwundeten Glass nieder und kann erst durch den gemeinsamen Einsatz von Glass’ Kameraden zur Seite gerollt werden. Für diese Szene würde ein digitaler Effekt nicht ausreichen. Stattdessen erschuf Legacy Effects einen Grizzly in Lebensgröße. Natürlich durfte das Modell nicht so viel wie ein echter Grizzly – 800 bis 900 Pfund – wiegen, doch um das Gefühl der Masse übermitteln zu können, brachte das Modell am Ende immerhin 150 Pfund auf die Waage.



Der Einsatz hat sich gelohnt

THE REVENANT geizt nicht mit phantastischen Aufnahmen, eindrücklichen Bildern und einzigartigen Momenten. Doch der Grizzly-Angriff sticht selbst aus diesen beeindruckenden Szenen hervor und brennt sich ins Gedächtnis. Zudem ist dies auch innerhalb der Story ein wichtiger Moment. Iñárritus Entscheidung, alles in einer 6-minütigen Sequenz unterzubringen war goldrichtig. In Iñárritus Kopf geboren, erfolgte die Umsetzung durch die Effektstudios in mühevoller Kleinarbeit und das Ergebnis ist goldwert. THE REVENANT hat deutlich mehr zu bieten als nur diese Szene, aber dieser Filmmoment nimmt einen besonderen Platz ein.

Quelle: Cinefex 145

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